Nach einer Woche in Lhasa
machte ich mich zum ersten Mal auf, das Land zu entdecken. Die Fahrt
im Minibus führte mich zunächst über die beste Straße Tibets in Richtung
Flughafen. Der Asphalt ist uneben und übersäht mit Schlaglöchern, aber
ich wußte aus Erzählungen, dass ich diese Strecke genießen sollte.
Kurz hinter dem Flughafen hörte der Asphalt auf, und eine Sand-Kies-Piste
begann. Je weiter südlich wir kamen, desto wüstenähnlicher wurde das
Gelände. Die Kies-und Geröllandschaft, die ich bisher von Tibet gewohnt
war, verwandelte sich langsam in eine Sandwüste. Der Bus blieb
mehrere Male in den Sanddünen stecken, und immer mußten sämtliche
Passagiere aussteigen um zu schieben. Immerhin schafften wir die 200
km in sechs Stunden. Ich kam in einem Ort namens Zetong, und meine Begeisterung
über diesen Platz hielt sich leider in Grenzen. Die Stadt besteht
fast ausschließlich aus einer Art Zementgaragen-Häusern. Diese Architektur
vermag es, jegliche Atmosphere, die von der Umgebung hätte ausgehen
können, zu zerstören. Eine solche Architektur ist in der Regel ein Indiz
für einen hohen chinesischen Bevölkerungsanteil. Seit der Besetzung
Tibets sind viele solcher Garagen-Städte gebaut worden, um möglichst
viele Chinesen schnell in der Region anzusiedeln. Bereits am nächsten
Tag trampte ich dann nach Chongye, einen kleinen Ort ca. 40 km von Zetong
entfernt. Da saß ich nun, und befand mich urplötzlich in einer äußerst
merkwürdigen Situation. Es gab dort kein Hotel oder Gästehaus, also
fragte ich einige Leute, wo ich wohl einen Platz zum Schlafen finden
könnte. Alle wiesen mich auf ein kleines Häuschen, vor dem eine alte
Frau, ein Mann und mehrere Kinder saßen. Ich ging dorhin und fragte
wiederrum nach einem Platz zum Übernachten. Der Mann wies mich ohne
Worte auf eine Felldecke neben der alten Frau, und ging. Ich setzte
mich neben die Dame und versuchte mehrere Variationen der verbalen und
nonverbalen Kommunikation. Aber ich vermochte es nicht auch nur eine
einzige Regung aus ihr herauszubekommen. Nach ca. einer halben Stunde
hieß mich die Dame aufzustehen. Ich stand auf, sie nahm mir die Decke
weg und bedeutete mir wegzugehen. Na ja, ich saß vor ihrem Haus in ihrem
Garten, also ging ich und fragte aufs Neue nach einem Schlafplatz. Ein
halbes dutzend Leute wiesen mich in die verschiedensten Richtungen,
bis ich an ein Mädchen geriet, das mir anbot mich zu führen. Sie brachte
mich auf direktem Weg wieder zurück zu dem Haus der alten Dame! Das
Mädchen sprach eine Weile mit ihr, und gab mir dann zu verstehen, ich
solle außerhalb des Gartens warten. Warten auf was? Ich hatte keine
Ahnung, aber was blieb mir anderes übrig? Nach ca. 1,5 Stunden kam eine
Frau, die ich vormals schon gesehen hatte und winkte mich heran. Sie
führte mich hundert Meter weiter zu einem Zimmer. Ich hatte ein Bett.
Jeglicher Versuch diese ganze Prozedur zu verstehen ist mir bis heute
nicht gelungen. Ich hatte zumindest die ganze Zeit das Gefühl, dass
mir die Leute, mit denen ich zu tun hatte, freundlich gesinnt waren...