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Die
Religion ist der Urprung der gesamten traditionellen Kultur Nepals.
Ob es die Kunst, Literatur oder nur der Ablauf des täglichen Lebens
ist, alles wird in mehr oder weniger hohem Maße von der Religion beeinflusst.
90% der Nepalesen bezeichnen sich als der hinduistischen Religion
zugehörig. Jedoch ist der hinduistische Glauben in Nepal verwoben
mit buddhistischen, tantrischen und animistischen Einflüssen. Die
einzelnen Elemente dieser Glaubensrichtungen sind unzertrennbar miteinander
verbunden, so dass es fast unmöglich ist die verschiedenen Bestandteile
voneinander abzugrenzen. Dies versuchen die Nepalesen jedoch nicht
einmal. Buddhistische und hinduistische Kultstätten stehen nebeneinander,
und oftmals wird ein und dieselbe Götterfigur unter verschiedenen
Namen von Anhängern beider Religionen verehrt.
Unabhängig
von der Religionszugehörigkeit nimmt auch jeder an religiösen Festen
und Umzügen teil und betet die jeweils populären Gottheiten an. Diese
Toleranz beruht zum einen darauf, dass zu Zeiten der Malla-Dynastie
viele Buddhisten zum Hinduismus konvertierten, um der neuen Staatsreligion
anzugehören und somit ihren sozialen Status zu verbessern. Zum anderen
bieten die beiden Religionen nebeneinander wenig Konfliktpotential,
da sich der Buddhismus im 6. Jahrhundert v. Chr. aus dem Hinduismus
heraus entwickelte, und beide Religionen daher viele Grundprinzipien
gemein haben. Buddhismus und Hinduismus sind desweiteren stark vom
animistischen Volksglauben beeinflusst. Da beide Religionen sehr flexibel
sind, was das Einbeziehen fremder Einflüsse angeht, hat sich über
die Jahre eine unüberschaubare Vielfalt an Kulten, Heiligkeiten und
Festivitäten entwickelt. Alle diese neuen Elemente bleiben jedoch
nicht eingenständig, sondern werden in den Hinduismus integriert.
Aus diesem Grund ist der Hinduismus mit seinen Grundprinzipien die
weit vorherschende und durchweg akzeptierte Religion.
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Der
Hinduismus ist ebenso ein soziales System wie eine Religion,
der alle Aspekte des menschlichen Lebens bestimmt. Dies erklärt
auch die beherrschende Rolle in der nepalesischen Gesellschaft.
Trotz zahlreicher Einschränkungen der Religion, die die Modernisierung
und Urbanisierung des Landes mit sich gebracht hat, lebt der
Hinduismus ungestört als lebendige Kraft weiter.
Entstehung
Die Entstehung des Hinduismus fand wohl vor über 2000 Jahren
statt, als die Zivilisationen des Indus-Tales in Indien mit
arischen Eroberern aus dem Norden zusammentrafen. Das persische
Wort Hindu wurde von Sanskrit "Saindhava"; indisch "Sindhu"
("Fluss" oder genauer der Indus) abgeleitet und bezeichnete
im 5 Jahrhunder v. Chr. die Bewohner jenes Landes nach seinem
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Fluss,
dem Indus. Die Hindus bezeichnen sich selbst als "jene, die an
die Veden glauben oder als "jene, die den Weg der vier Klassen
und Lebensstadien befolgen.
Die höchste Autorität aller Hindus ist der Veda.Der älteste der
vier Veden ist der Rigveda, der in einer alten Form des Snaskrit
im Nordwesten Indiens entstand.Diese Veden werden als Offenbarungskanon
angesehen und dürfen nicht verändert werden. |
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Der Inhalt dieser Schriften ist jedoch nur wenigen Hindus bekannt.
Das praktische Handbuch des Hinduismus ist in den Smriti-Schriften
enthalten. Diese enthalten die zwei großen Sanskrit-Epen Mahabharata
und Ramayana.
Das Mahabharata erzählt vom Krieg zwischen den Pandavabrüdern,
wobei die Heere von ihrem Vetter Krishna und den Kauravabrüdern
angeführt werden. Im Mittelpunkt des Ramayana stehen die Taten
des Gottes Rama zur Befreiung seiner Ehafrau Sita, die von dem
Dämon Ravana entführt wurde. Das Ramayana ist äußerst popular,
vielleicht weil es in der Einleitung orakelt:"Der, der dies liest,
und damit das heilige leben Ramas wiederholt, wird von allen seinen
Sünden befreit und erhebt sich und alle seine Nachfahren in den
höchsten Himmel". Die Erzählungen der beiden Epen sind in zahlreiche
Dialoge über Philosophie, Recht, Geografie, Politik und Astronomie
eingebettet. |
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Philosophie
In den Erzählungen ist gleichzeitig eine komplexe Kosmologie enthalten.
Die Hindus betrachten das Universum als große, geschlossene Sphäre,
als kosmisches Ei, das zahlreiche konzentrische Himmel, Höllen,
Meere und Erdteile enthält und in deren Mittelpunkt sich Indien
befindet. Vom goldenen Zeitalter ausgehend, gelangt man über zwei
Zwischenperioden zur Gegenwart. Am Ende dieser letzten Periode
wird die Welt durch Feuer und Flut vernichtet, und ein neues goldenes
Zeitalter bricht an. |
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Das
menschliche Leben ist gleichfalls einem Zyklus unterworfen. Nach
dem Tod wird man demnach als anderer Mensch, Tier, Pflanze oder
sogar als Mineral wiedergeboren. Das Schicksal des Menschen in
dem neuen Leben wird dabei von seinen in den vorhergehenden Leben
angesammelten guten oder bösen Taten, dem Karma, bestimmt. Schlechte
Taten während eines Lebens verursachen ein schlechtes Karma, das
zu einer niedrigeren Reinkarnation führt. Das Ziel eines Hindus
ist, dem ewigen Zyklus der Wiedergeburten zu entkommen und somit
zur Erlösung zu finden. |
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Diesem
Ziel kommt man näher, wenn man ein Leben lang seine Pflichten
erfüllt, Buße tut, rituelle Handlungen ausführt und auf weltliche
Begehren verzichtet.
Man kann nicht zum Hinduismus konvertieren. Entweder wird man
als Hindu geboren oder halt nicht. Für die Lebensart eines Hindus
wurden metaphysische und gesellschaftliche Systeme entwickelt.
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Demnach
wird der Mensch geboren, um eine bestimmte Tätigkeit auszuüben,
eine bestimmte Person zu heiraten, bestimmte Nahrung aufzunehmen
und Kinder zu zeugen oder zu gebären, die dann ihrerseits im gleichen
Sinn leben. Auch
besagt die Lehre, dass es besser sei, sein eigenes Dharma zu erfüllen
als das von anderen, auch wenn das eigene minderwertig und verwerflich
sei wie jenes der Paria. Die Paria werden auch "Unberührbare"
genannt, da schon ihre bloße Anwesenheit den Hindu, der einer
anderen Kaste angehört, beflecken könne. Man wird in eine Kaste
hineingeboren und hat keine Chance während eines Lebens in eine
höher Kaste aufzusteigen. Ein weiteres wichtiges Gebot für alle
Hindus ist, keine Lebewesen zu töten, woraus der Vegetarismus
folgt. Dieser Grundsatz verhindert jedoch nicht die Gewaltanwendung
gegen Mensch und Tier bzw. das Blutopfer in den Tempeln. |
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Götter
Auf den ersten Blick scheint der Hinduismus aufgrund der schieren
Vielzahl seiner Gottheiten sehr schwer verständlich. Letztendlich
repräsentieren alle diese Gottheiten aber lediglich die unendliche
Vielseitigkeit des einen allgegenwärtigen Gottes. Dieser selbst formlose
Gott manifestiert seine drei Hauptaspekte in den Göttern Brahma, Vishnu
und Shiva. Alle drei stehen für einen bestimmten Aspekt des Lebens.
Brahma ist der Schöpfer, Vishnu der Erhalter und Shiva der Transformer
und Zerstörer.
Brahma:
Die geringste Rolle im Leben der Nepalesen hat hierbei Brahma.
Zwar werden alle Gottheiten gehuldigt, jedoch haben die meisten
Hindus eine Gottheit als speziellen Patron. Wen immer ein Hindu
auch anbetet: |
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"Wie
ein Tropfen Wasser früher oder später das Meer erreichen wird,
so wird jede Art von Anbetung letztendlich zum ultimativen Gott
gelangen." Trotzdem ist jede Gottheit anders und steht für unterschiedliche
Eigenschaften, mit denen sich der Anbeter identifizieren kann.
Deshalb verehren die meisten Anbeter einen einzigen Gott bzw.
Göttin, von denen Shiva und Vishnu die verbreitetsten sind. |
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Vishnu:
Vishnu gilt als der Erhalter des Lebens und gütiger Retter. Seine
Hauptinkarnationen sind Schildkröte, Fisch, Wildschwein und Zwerg.
Jede dieser Inkarnationen ist mit einer anderen Legende verbunden.
Andere Inkarnationen haben einen eigenen göttlichen Status erlangt,
wie z.B. Krishna, den hübschen und flötespielenden Gott der Liebe
oder Rama, den Held des Ramayana-Epos. Sogar Buddha gilt als Reinkarnation
Vishnus. |
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Die
Gefährtin Vishnus ist Lakshmi, die Göttin des Reichtums und des
Glücks. Die Symbole Vishnus sind u.a. Muschel und Lotus. |
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Shiva:
Im Gegensatz zu Vishnu ist Shiva ein Unruhestifter. Zwar ist er
auch Gott der Askese, jedoch ist ein weiteres Wesenmerkmal seine
zerstörerische Energie. Von Shiva sagt man, dass er im Himalaya
lebt, und viel Zeit damit verbringt Marihuana zu rauchen. Aus
diesem Grund sieht man viele Saddhus (umherziehende heilige Männer),
die in Andenken an ihren Gott ständig selbst in göttlichen Sphären
zu schweben scheinen. |
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Shiva
hat das dritte Auge auf seiner Stirn und trägt einen dreizackigen
Spieß in seiner Hand. Shiva ist desweiteren der Gott des Phallus.
Auch bekannt ist Shiva als Nataraj, der kosmische Tänzer, dessen
Tanz den Kosmos geschüttelt hat, wodurch die Welt erschaffen wurde.
Shivas Gefährtin ist die schöne Parvati. Zusammen zeugten sie
Ganesh. Ganesh ist ein sehr populärer Gott, da er als Garant für
Glück gilt. |
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Seinen
Elefantenkopf hat er seinem launischen Vater zu verdanken. Als
dieser einmal von einer langen Reise zurückkehrte, traf er seine
Frau Parvati mit einem jungen Mann an. Ohne daran zu denken, dass
der Mann sein Sohn sein könnte, der während seiner Abwesenheit
gewachsen ist, schlug er ihm in seinem Zorn kurzerhand den Kopf
ab. Als sich das Missverständnis aufklärte, wurde er von Parvati
gezwunden Ganesh zurück ins Leben zu holen. Dies gelang Shiva
jedoch nur unter der Voraussetzung, das Ganesh den Kopf des ersten
Lebewesens erhalten würde, welches er erblickt. Dies war ein Elefant;
es hätte ihn aber wohl noch schlimmer treffen können... |
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Kumari
Die Verschmelzung verschiedener reliöser Lehren in Nepal findet
ihren Ausdruck in der Tradition der Kumari. Dabei wird ein junges
buddhistisches Mädchen als Inkarnation der Hindu-Göttin Durga
gehuldigt. Sogar der König von Nepal verbeugt sich vor der königlichen
Kumari, da man ihr die Macht zuspricht die Position eines Königs
für ein weiteres Jahr zu bestätigen. Es gibt in Nepal mindestens
elf verschiedene Kumaris. Die am meisten verehrte ist jedoch die
königliche Kumari, die in einem reich dekorierten Haus am Durbar
Square in Kathmandu lebt. |
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Eine
Kumari wird durch aufwendige Prozeduren von fünf hohen Priestern
gefunden. Die Prozedur errinnert an die Art und Weise, wie ein
Dalai Lama gefunden wird. Ist ein Mädchen gefunden, das allen
Anforderungen entspricht, wird es durch geheime Rituale in ihre
göttliche Position versetzt. Das Mädchen lebt von da ab ein geschütztes
und von der Welt abgeschiedenes Leben. |
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Die
Priester des Taleju Tempels huldigen ihr jeden Tag und sie verbringt
einige Stunden täglich damit Anhänger zu empfangen. Man sagt ihr
nach, dass sie ihren Anhängern Reichtum und Glück beschert. Ansonsten
verbringt sie ihre Tage damit, mit den Kindern ihrer Dienstboten
zu spielen. Das Haus darf sie jedoch nicht verlassen, da ihre
Füße keinen nicht-heiligen Boden berühren dürfen. Die Kumari lebt
dieses Leben bis zu ihrer ersten Menstruation. Dann verliert sie
automatisch ihre Heiligkeit und ein anderes Mädchen nimmt ihren
Platz ein. Von nun an darf sie ein "normales" Leben führen, wie
auch immer dies für eine Ex-Göttin aussehen mag. Problematisch
für ihre Zukuft ist der Glaube, dass der Ehemann einer ehemaligen
Kumari früh sterben wird. |
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